Green City Energy AG - Lehren aus einem Insolvenzfall
Die Geschichte der Green City Energy AG aus München ist ein lehrreiches Beispiel für die Herausforderungen und Risiken bei grünen Geldanlagen. Das 2005 als Tochter des Umweltvereins Green City e.V. gegründete Unternehmen entwickelte sich zu einem der bekanntesten deutschen Anbieter für Investments in erneuerbare Energien, bevor es 2022 in die Insolvenz geriet. Mit über 250 Millionen Euro eingeworbenen Anlegerkapitals und mehr als 500 Millionen Euro realisierten Investitionen in Wind- und Solarparks hatte Green City Energy zwischenzeitlich eine beeindruckende Marktposition aufgebaut. Die Insolvenz der AG und mehrerer Tochtergesellschaften zeigt exemplarisch die spezifischen Risiken auf, die bei Investments in Projektentwickler erneuerbarer Energien bestehen können.
Von der Umweltorganisation zum Energiekonzern
Die Wurzeln von Green City Energy reichen zurück in die frühen 1990er Jahre, als sich der Münchener Verein Green City e.V. für eine umweltfreundlichere Großstadt München einsetzte. Dieser bürgerschaftliche Ansatz prägte von Beginn an die Philosophie des späteren Unternehmens: Nachhaltigkeit sollte nicht nur als Geschäftsmodell, sondern als Lebensphilosophie verstanden werden. 2005 gründete der Verein die Green City Energy GmbH, die 2011 zur Aktiengesellschaft umfirmiert wurde, um Anlegern eine breitere Beteiligung zu ermöglichen.
Das Geschäftsmodell war zunächst erfolgreich: Green City Energy entwickelte, finanzierte und betrieb Wind- und Solarparks in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Bis 2020 realisierte die Gruppe nach eigenen Angaben umweltfreundliche Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 263 Megawatt. Die Finanzierung erfolgte über ein breites Spektrum von Anlageprodukten: von Aktien über verschiedene Anleihen bis hin zu Genussrechten und geschlossenen Fonds.
Unter der Führung von Jens Mühlhaus, einem Bauingenieur mit langjähriger Erfahrung in kommunaler Energieberatung, und Dr. Christian Epp, einem promovierten Juristen mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in Umweltprojekten, expandierte das Unternehmen kontinuierlich. Beide Vorstände brachten sowohl technische als auch rechtliche Expertise ein und galten als Pioniere der deutschen Energiewende-Finanzierung.
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Das Geschäftsmodell und seine Komplexität
Green City Energy verfolgte ein integriertes Geschäftsmodell, das die gesamte Wertschöpfungskette der Energiewende abdeckte: von der Projektentwicklung über die Finanzierung bis hin zum Betrieb der Anlagen. Dieses Modell ermöglichte theoretisch hohe Margen, brachte aber auch erhebliche Komplexität mit sich. Das Unternehmen organisierte sich in eine Vielzahl von Projekt- und Betreibergesellschaften – am Ende waren es 138 verschiedene Tochter- und Enkelgesellschaften.
Projektentwicklung und Finanzierung
Green City Energy entwickelte Wind- und Solarparks von der ersten Standortakquisition bis zur schlüsselfertigen Übergabe. Die Finanzierung erfolgte sowohl über institutionelle Investoren als auch über eine breite Palette von Anlageprodukten für Privatkunden. Besonders prägend war die Bürgerbeteiligung: Tausende von Privatanlegern investierten bereits ab 1.000 Euro in die grüne Vision des Unternehmens. Diese Demokratisierung des Investments in erneuerbare Energien war damals innovativ und traf den Zeitgeist.
Komplexe Konzernstruktur
Die Vielzahl der Gesellschaften diente verschiedenen Zwecken: Risikoisolierung einzelner Projekte, steuerliche Optimierung und Anlegerschutz durch projektbezogene Finanzierung. Gleichzeitig entstanden dadurch aber auch Abhängigkeiten und Verflechtungen zwischen den Gesellschaften. Kredite und Darlehen zwischen Konzernunternehmen schufen ein komplexes Geflecht von Forderungen und Verbindlichkeiten, das sich in der Krise als problematisch erweisen sollte.
Nachrangige Finanzierungsstrukturen
Ein charakteristisches Merkmal der Green City-Finanzierungen war die häufige Verwendung nachrangiger Instrumente. Diese Nachrangigkeit war notwendig, damit die Banken die Anlegergelder als Eigenkapital akzeptieren und weitere Kredite gewähren konnten. Für die Anleger bedeutete dies jedoch, dass ihre Forderungen im Krisenfall erst nach allen anderen Gläubigern bedient werden würden. Diese Struktur war zwar in den Verkaufsunterlagen dokumentiert, die praktischen Konsequenzen wurden aber möglicherweise nicht von allen Anlegern vollständig verstanden.
Warnsignale und Entwicklung zur Krise
Rückblickend lassen sich verschiedene Entwicklungen identifizieren, die auf die späteren Schwierigkeiten hindeuteten. Bereits 2019 verzeichnete Green City Energy auf Konzernebene einen Jahresverlust von 7,25 Millionen Euro und wies ein negatives Eigenkapital von 40,9 Millionen Euro aus. Diese Zahlen waren öffentlich zugänglich, da es sich um eine Aktiengesellschaft mit entsprechenden Publizitätspflichten handelte.
Besonders bemerkenswert war die Problematik mit den Wirtschaftsprüfern: Der Konzernabschluss 2018 konnte erst mit erheblicher Verzögerung im September 2020 veröffentlicht werden und erhielt einen Versagungsvermerk der Prüfer. Ein Versagungsvermerk bedeutet, dass die Wirtschaftsprüfer die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses nicht bestätigen können oder wollen. Dies ist ein außergewöhnlich starkes Warnsignal, das in der Finanzwelt sehr ernst genommen wird.
Trotz dieser Schwierigkeiten verfolgte Green City Energy ambitionierte Wachstumspläne: Die Tochtergesellschaft Summiq sollte an die Börse gebracht werden und 75 bis 100 Millionen Euro einsammeln. Mit diesem Geld war der Erwerb von Projekten im Umfang von 190 Megawatt geplant. Der Börsengang wurde jedoch Ende 2019 wegen mangelnder Nachfrage abgesagt – ein weiteres Warnsignal, das die angespannte Finanzlage widerspiegelte.
- ✅ Regelmäßige Veröffentlichung von Jahresabschlüssen als Transparenz-Indikator
- ✅ Prüfertestate und deren Qualität als Frühwarnsystem
- ✅ Eigenkapitalquote und Verschuldungsgrad zur Risikobeurteilung
- ✅ Komplexität der Konzernstruktur als Risikofaktor
- ✅ Nachrangigkeit der Anlegerposition in der Kapitalstruktur
Die Liquiditätslage verschlechterte sich kontinuierlich: 2019 betrug der Cash-Bestand nur noch 11,5 Millionen Euro bei Anleiheverbindlichkeiten von 138,6 Millionen Euro und zusätzlichen Bankschulden von 70 Millionen Euro. Diese Zahlen zeigten eine kritische Finanzierungslücke, die nur durch erfolgreiche Projektrealisierungen oder frisches Kapital geschlossen werden konnte.
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Der Weg in die Insolvenz
Ende 2021 spitzte sich die Situation dramatisch zu. Am 17. Dezember 2021 teilte Green City Energy mit, dass im Geschäftsjahr 2021 mehr als die Hälfte des Grundkapitals verloren wurde – eine Meldepflicht nach dem Aktiengesetz, die eine existenzbedrohende Situation signalisiert. Gleichzeitig informierten drei wichtige Tochtergesellschaften ihre Anleihegläubiger, dass sie sich „in einer finanziellen Krise“ befänden und „möglicherweise drohend zahlungsunfähig“ werden könnten.
Als letzter Versuch zur Rettung des Unternehmens wurden intensive Gespräche mit potenziellen Investoren geführt. Eine außerordentliche Hauptversammlung am 20. Januar 2022 sollte die Voraussetzungen für eine Kapitalerhöhung und die Emission neuer Wandelanleihen schaffen. Diese Pläne konnten jedoch nicht mehr umgesetzt werden: Am 24. Januar 2022 stellte Green City Energy beim Amtsgericht München Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Die Insolvenz der Muttergesellschaft löste eine Kettenreaktion aus: In den folgenden Wochen meldeten auch mehrere Tochtergesellschaften Insolvenz an, darunter die Green City Energy Kraftwerkspark II GmbH & Co. KG, die Green City Energy Kraftwerkspark III GmbH & Co. KG und die Green City Solarimpuls I GmbH & Co. KG. Diese Gesellschaften hatten zusammen Anleihen in Höhe von etwa 117 Millionen Euro ausgegeben.
Auswirkungen auf die Anleger
Die Insolvenz von Green City Energy und ihren Tochtergesellschaften hatte schwerwiegende Auswirkungen auf tausende von Anlegern. Das besondere Problem lag in der bereits erwähnten Nachrangigkeit vieler Finanzierungsinstrumente: Während die investierten Gelder durchaus in werthaltige Anlagen (Wind- und Solarparks) geflossen waren, standen die Anleger in der Insolvenz hinter anderen Gläubigern – insbesondere den Banken – zurück.
Die praktischen Konsequenzen zeigten sich in den Insolvenzverfahren: Obwohl durchaus Vermögenswerte vorhanden waren, erhielten die nachrangigen Gläubiger nur einen Bruchteil ihrer Investitionen zurück. Rechtsanwaltskanzleien, die Anleger vertreten, gingen davon aus, dass die meisten Privatinvestoren erhebliche Verluste hinnehmen mussten. Gleichzeitig entstanden zusätzliche Kosten durch die Insolvenzverfahren und die rechtliche Durchsetzung von Ansprüchen.
Für viele Anleger war Green City Energy nicht nur ein finanzielles Investment, sondern auch eine ideelle Investition in die Energiewende. Entsprechend groß war die Enttäuschung über den Verlust der Gelder. Verschiedene Rechtsanwaltskanzleien boten ihre Dienste an, um mögliche Schadensersatzansprüche gegen Prospektverantwortliche oder Vertriebe zu prüfen. Solche Ansprüche sind jedoch oft schwer durchsetzbar und mit zusätzlichen Kosten und Risiken verbunden.
Lehren für Anleger und Branche
Der Fall Green City Energy bietet wichtige Lektionen sowohl für Anleger als auch für die gesamte Branche der nachhaltigen Geldanlagen. Eine zentrale Erkenntnis ist die Bedeutung der Kapitalstruktur: Nachrangige Finanzierungsinstrumente können zwar höhere Zinsen bieten, bergen aber im Krisenfall auch überproportionale Verlustrisiken. Diese Zusammenhänge sollten Anleger verstehen, bevor sie sich für solche Investments entscheiden.
Gleichzeitig zeigt der Fall die Wichtigkeit einer gründlichen Due Diligence bei der Anlageentscheidung: Warnsignale wie verspätete Jahresabschlüsse, Prüfertestate mit Versagungsvermerken oder eine angespannte Liquiditätslage hätten als Risikoindikatoren dienen können. Die regelmäßige Überwachung der Investments durch die Anleger ist bei komplexen Unternehmensstrukturen besonders wichtig.
Für die Branche der nachhaltigen Geldanlagen ergeben sich Fragen zur angemessenen Regulierung und Transparenz: Wie können Anleger besser über die spezifischen Risiken aufgeklärt werden? Welche Rolle spielen Vertriebspartner bei der Risikoaufklärung? Wie lassen sich die oft komplexen Strukturen von Projektfinanzierungen transparenter gestalten?
- ✅ Verstehen der Kapitalstruktur und Nachrangigkeit
- ✅ Regelmäßige Überwachung der Finanzlage durch Jahresabschlüsse
- ✅ Frühzeitiges Erkennen von Warnsignalen
- ✅ Diversifikation zur Risikominimierung
- ✅ Angemessene Positionsgrößen entsprechend der Risikotoleranz
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Diversifikation: Anleger, die einen zu großen Teil ihres Vermögens in ein einzelnes Unternehmen oder eine einzelne Branche investiert hatten, erlitten entsprechend hohe Verluste. Eine breitere Streuung des Portfolios kann solche Konzentrationsrisiken reduzieren, auch wenn sie die grundsätzlichen Investitionsrisiken nicht eliminiert.
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Nachhaltigkeit und Anlegerschutz in Einklang bringen
Der Fall Green City Energy wirft auch grundsätzliche Fragen zum Verhältnis von nachhaltigen Anlagezielen und Anlegerschutz auf. Das Unternehmen verfolgte zweifellos ehrenwerte ökologische Ziele und trug zur Entwicklung erneuerbarer Energien bei. Gleichzeitig zeigt der Verlauf, dass gute Absichten allein nicht ausreichen, um ein erfolgreiches und nachhaltiges Geschäftsmodell zu gewährleisten.
Die Herausforderung besteht darin, innovative und notwendige Investments in die Energiewende zu ermöglichen, ohne dabei die Interessen der Anleger zu vernachlässigen. Dies erfordert sowohl von den Anbietern als auch von den Regulierungsbehörden eine sorgfältige Balance zwischen Innovationsförderung und Anlegerschutz. Transparente Kommunikation, angemessene Risikoaufklärung und solide Unternehmensführung sind dabei unverzichtbare Voraussetzungen.
Für Anleger bedeutet dies, dass sie auch bei nachhaltigen Investments die gleichen Sorgfaltspflichten beachten sollten wie bei konventionellen Geldanlagen: Verstehen des Geschäftsmodells, Prüfung der Finanzlage, Bewertung der Risiken und angemessene Diversifikation. Nachhaltige Geldanlagen sind nicht per se sicherer oder riskanter als konventionelle – sie unterliegen den gleichen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und erfordern die gleiche analytische Herangehensweise.
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